Suche
Im Pflegeheim leben ist so ziemlich das Letzte, was sich viele Menschen wünschen. Zwar schätzen 85 Prozent der Deutschen diese Einrichtungen als eine Entlastung für Angehörige, für sich selbst aber beurteilen sie die Situation weitaus kritischer. 80 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen Befragung durch die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC bereitet der Gedanke, in einem Seniorenheim betreut werden zu müssen, regelrecht Angst. Nur sechs Prozent können sich vorstellen, bei Pflegebedürftigkeit freiwillig in einem Heim zu leben.
Drei Viertel der Befragten fürchten Personalmangel und überforderte Pflegekräfte (73 %) im Heim, wohl wissend, dass diese Situation die Pflegequalität mindert. Mehr als die Hälfte sorgt sich um den Schutz der Privatsphäre (60 %) und um die Fähigkeit, die eigene Heimpflege auch langfristig bezahlen zu können (59 %). Weitere Befürchtungen sind, „wenn ich erst einmal im Pflegeheim drin bin, komme ich nicht mehr heraus“ (49 %), unzureichende medizinische Versorgung etwa durch Fachärzte (32 %) und ein Mangel an sozialen Kontakten und Beschäftigungsangeboten (30 %). Auffallend: Frauen äußern sich in durchweg besorgter hinsichtlich der Heimpflege als Männer.
Wie möchten die Deutschen denn im Alter leben? „Im Falle einer Pflegebedürftigkeit wird professionelle Pflege bevorzugt – nicht aber im Pflegeheim“, fasst der Report die Stimmung zusammen. Größter Wunsch sind die eigenen vier Wände: entweder im Rahmen des Betreuten Wohnens in einer barrierefreien Wohnanlage (33 %) oder unter Beibehaltung der eigenen Wohnung, jeweils mit Betreuung durch einen ambulanten Pflegedienst (31 %). Häusliche Pflege durch Angehörige können sich 19 Prozent vorstellen, durch externe Hilfe, die im Haushalt wohnt, 11 Prozent der Umfrageteilnehmer.
Die Befragten haben klare Vorstellungen zur Verbesserung der Situation im Heim. Weit oben rangieren regelmäßige Qualitätskontrollen der Pflegeheime durch externe Institutionen (98 %). Dieses Verfahren nutzernaher Transparenz lässt immer noch auf sich warten, seit im Jahr 2009 der sog. Pflege-TÜV mit „Pflegenoten“ eingeführt wurde. Versorgungsqualität lässt sich nun mal kaum mit Bewertungskriterien messen, die zu wenig am individuellen Befinden der unmittelbar Betroffenen ansetzen. Viele Menschen erwarten mehr Betreuung durch einen verbesserten Betreuungsschlüssel (97 %) sowie mehr Anerkennung der Pflegekräfte durch ein höheres Gehalt und Maßnahmen zur Stärkung der Mitarbeiter-Zufriedenheit (jeweils 97 %).
Hohe Pflegequalität hat ihren Preis – was vielen Bürgern auch bewusst ist. 43 Prozent der Befragten wäre bereit, für bessere Leistungen einen höheren Beitragssatz zur Pflegeversicherung zu leisten. Die akzeptierte Zusatzleistung wächst mit steigendem Nettoeinkommen und liegt bei durchschnittlich 33 Euro pro Monat, ergab die Befragung. Die Mehreinnahmen sollten nach überwiegender Meinung (53 %) vorrangig in einen besseren Betreuungsschlüssel investiert werden. 39 Prozent sagen, dass sie sich diese Erhöhung nicht leisten können und lehnen sie ab. 18 Prozent wären dazu nicht bereit, obwohl sie es sich leisten könnten.
Die Umfrageergebnisse belegen einmal mehr den schlechten Ruf von Pflegeheimen. Zum Teil ist diese Einschätzung fehlender persönlicher Erfahrung der Bürger geschuldet, legt die Erhebung nahe: Wer aktuell Angehörige im Pflegeheim hat, setzt weniger auf häusliche Pflege (48 %) als Menschen, die keine Erfahrungen mit Angehörigen im Pflegeheim haben (62 %).
Zum größeren Teil aber spiegelt das schlechte Image den Pflegenotstand der Branche und die mangelnde Transparenz der Qualitätsstandards wider. Verunsicherung und Angst der Bürger, wenn es um die Wahl es Pflegeheims geht, sind vielfach belegt, zuletzt erst wieder durch eine Erhebung der Bertelsmann-Stiftung.*
Die PwC-Experten fordern zurecht eine dringende Aufwertung des Pflegeberufs und neue Formen der stationären Pflegeversorgung. Immerhin rund eine Million Pflegebedürftiger pro Jahr suchen nach einem geeigneten Pflegeheim, genug, um diesem Bedürfnis endlich Rechnung zu tragen. Höchste Zeit also, dem von hohen Erwartungen getragenen Pflegestärkungsgesetzen und dem eigens geschaffenen Qualitätsausschuss endlich konkrete Taten vor Ort folgen zu lassen.
*Siehe dazu BFS-Trendinfo 10/17: Was zählt wirklich bei der Heimbewertung?
Bevölkerungsbefragung Pflege in Deutschland, Repräsentative Befragung der Wirtschafts- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), Dezember 2017, 24 Seiten
Download
Krankenhaus
Digitalisierung im Krankenhaus: Keine Angst vor Jobverlust!
Pflege
Ambulante Pflege 4.0: Digitalisierung im Schneckentempo
Pflege
Umfrage: Bürger haben Angst vor dem Pflegeheim
Bildung
Früherziehung: Je besser die Kita, desto sozialer das Kind
Bildung
Familienzentren in NRW: Niederschwellige Angebote gefragt
Integration
Alle Kids sind VIPs: Und die Gewinner sind ...
Globalisierung
Die EU als Teil der Problemlösung
Buchempfehlung
Die Top Ten der Zukunftsliteratur
Susanne Bauer
Senior Referentin Unternehmenskommunikation
Konrad-Adenauer-Ufer 85
50668 Köln
T 0221 97356-237
F 0221 97356-477
E-Mail