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„Als ich jung war, wurde mir oft gesagt, dass ich es mal bereuen würde, keine Kinder zu haben und einsam sein würde. Aber: Keine Kinder zu haben, ist auch im höheren Lebensalter nicht gleich zu setzen mit Einsamkeit und Verbitterung“, schreibt die Userin mit dem selbstironischen Alias „Alte Schachtel“ in einem Internet-Forum. Diese Sicht der Dinge lässt sich jetzt auch wissenschaftlich belegen. Eine Untersuchung des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA) hat festgestellt, dass die Netzwerke kinderloser älterer Menschen nicht kleiner sind als bei Müttern und Vätern gleichen Alters – sie sind nur anders in ihrer Struktur. Weder sind kinderlose Menschen im Alter sozial isoliert, noch leiden sie an mangelnder Unterstützung.
Dass das DZA eine Studie zum Thema „Kinderlosigkeit im Alter“ vorlegt, ist folgerichtig – zum einen zählt Deutschland neben der Schweiz, Italien und Finnland zu den Ländern mit der höchsten Kinderlosigkeit in Europa. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Wunsch nach Unabhängigkeit, Karrierestreben, Sorge vor zu hohen Kosten wegen der Kinder oder weil ein geeigneter Partner fehlt. Eine wichtige Rolle spielt auch das Bildungsniveau: Kinderlos bleiben vor allem höher gebildete Frauen und niedrig gebildete Männer.
Zum anderen hat sich die Kinderlosenquote (Anteil der Kinderlosen an allen Frauen eines Jahrgangs) hierzulande zwischen den Jahrgängen 1937 und 1967 von 11 auf 21 Prozent fast verdoppelt. Diese kinderlos Gebliebenen sind derzeit etwa 50 Jahre alt und damit noch relativ jung. Doch in etwa 15 Jahren wird fast jede fünfte westdeutsche und jede zehnte ostdeutsche Person kinderlos in Rente gehen. Was bedeutet das für ihre soziale Integration und das persönliche Wohlbefinden? Sind kinderlose Menschen im Alter einsamer und isolierter? Und was bedeutet das für unsere Gesellschaft?
Die Auswertungen von Daten des Deutschen Alterssurveys (DEAS) aus dem Jahr 2014 geben einen Einblick in deren Lebenssituation. Sie beziehen sich auf 50- bis 75-jährige, in privaten Haushalten lebende Personen. Ergebnis: Nur etwa acht Prozent der älteren Frauen und zehn Prozent der Männer fühlen sich wirklich einsam, Kinderlose etwas häufiger als Mütter und Väter. Befragt nach ihrer Lebenszufriedenheit gaben alle Gruppen auf einer Skala von 1 (niedrig) bis 5 (hoch) durchschnittlich Werte zwischen 3,5 und 3,8 an – mit nur geringen Unterschieden zwischen Kinderlosen und Eltern.
Auf die Zahl der engeren Beziehungen hat es keinen Einfluss, ob jemand Kinder hat oder nicht – im Schnitt hat jeder Mensch zu etwa vier Personen nahen Kontakt. Unterschiede werden nur in der Struktur sichtbar: Kinderlose ältere Frauen (87 %) und Männer (76 %) berichten öfter als Eltern (69 % der Mütter und 58 % der Väter) über enge oder sehr enge Beziehungen zu ferneren Verwandten, Freunden, Bekannten und sonstigen Personen. „Das heißt, nicht die Größe, sondern die Struktur der persönlichen sozialen Netzwerke ist davon geprägt, ob sich ein Leben mit oder ohne Kinder ergibt“, so die Studie.
Sind keine Kinder oder Partner da, wird mehr Kontakt mit ferneren Verwandten und Freunden gepflegt. Wenn beispielsweise Trost oder Aufmunterung gebraucht werden, würden 62 Prozent der kinderlosen Frauen dies bei Freunden oder Bekannten suchen. Bei den Müttern sind es nur 45 Prozent – sie wenden sich an ihren Partner (62 %) oder ihre Kinder/Enkel (42 %).
Die Verwandtschaft spielt vor allem bei kinderlosen Männern eine wichtige Rolle: So werden 43 Prozent von ihnen bei gesundheitlichen Problemen von ferneren Verwandten unterstützt. Bei kinderlosen Frauen sind es 20 Prozent, bei Vätern helfen Verwandte nur in fünf Prozent der Fälle.
Grundsätzlich gilt: Kinderlose agieren in anderen persönlichen Netzwerken als Personen mit Kindern. Sie ersetzen im Alter fehlende familiale Netzwerke und intergenerationale Beziehungen nicht durch andere Kontakte – sondern gestalten ihre Netzwerke im Lebensverlauf anders. So greifen sie im Alter für praktische Hilfen oder emotionalen Beistand häufiger auf den weiteren Verwandtenkreis, Freunde, Bekannte und nicht näher benannte sonstige Personen zurück. Anders als oft vermutet, „ist ein Mangel an Unterstützung für diese Personen größtenteils nicht sichtbar“, heißt es in der DZA-Studie.
Dass Freunde sogar wichtiger sein können als familiäre Beziehungen, hat eine Untersuchung der amerikanischen Michigan State University ergeben. In zwei Studien, an denen mehr als 280.000 Menschen teilnahmen, fanden die Wissenschaftler heraus, dass Freundschaften für Gesundheit und Freude im Laufe des Lebens von großer Bedeutung sind – und dass ihre Bedeutung im Alter zunimmt.
Elke Hoffmann / Laura Romeu Gordo, Im Alter ohne Kinder, DZA Berlin, Datenreport 2018, Download
Die Publikation ist Teil des Datenreport 2018 - Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland, Statistisches Bundesamt (Destatis) / Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Schwerpunkt: Familien und Kinder, Bonn 2018, 466 Seiten (hier: Seite 93-102)
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