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Wann macht sich der Hochadel schon mal für Demenzkranke stark? So wie die schwedische Königin Silvia, die 2009 eine Demenzstation im Malteser Krankenhaus St. Hildegardis in Köln auf ihren Namen eröffnete. Die Königin, sensibilisiert durch die Alzheimer-Erkrankung ihrer Mutter, steht in ihrem Heimatland der Silviahemmet-Stiftung vor. Diese Einrichtung verfolgt ein spezielles Konzept zur bestmöglichen Pflege von Demenzpatienten. Daran orientiert sich die „Special Care Unit Station Silvia“ des Hildegardis-Krankenhauses. Mit Erfolg, wie jetzt eine Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) bestätigt. Patienten geht es deutlich besser als in anderen Kliniken, viele von ihnen kommen nach der Entlassung zuhause besser zurecht als vor dem Klinikaufenthalt.
Eine Krankenhausbehandlung ist für demente Menschen extrem verunsichernd. Sie reagieren auf die plötzliche Verlegung in den anonymen Klinikalltag oft mit erhöhter Unruhe, Orientierungslosigkeit und Verwirrtheit. Für das Personal stellen sie eine große Belastung dar, häufig sollen Beruhigungsmittel und Neuroleptika Abhilfe schaffen. Zahlreiche Modellvorhaben der vergangenen Jahre nehmen sich der besseren – nichtmedikamentösen – Versorgung dieses Personenkreises an. Bisher liegen aber erst wenige Evaluierungen vor. Die vorliegende Studie des DIP ist daher von hohem Erkenntniswert. Drei Jahre lang begleiteten Forscher knapp 400 Patienten auf der Station Silvia. Davon waren 74 Prozent weiblich, das Durchschnittsalter betrug knapp 84 Jahre. Die breit angelegte Studie basiert auf medizinisch-klinischen Daten sowie pflege- und alltagsbezogenen Parametern.
„Silviahemmet“ heißt übersetzt soviel wie „Silvia-Heim“. Entsprechend geht es in der Kölner Malteserklinik um ein Bündel aufeinander abgestimmter Maßnahmen, damit sich demente Patienten in ihrer Umgebung möglichst wie zu Hause fühlen:
Von zentraler Bedeutung ist die Arbeit qualifizierter Therapeuten, ergänzend zur ärztlichen und pflegerischen Versorgung. Das Angebot reicht von Ergo-, Physio- und Sprachtherapie über Musik und Gedächtnistraining bis zu sprachlicher Aktivierung, Spielrunden und Bewegung im Therapiegarten.
Besonderes Augenmerk der Studie gilt der kognitiven Leistungsfähigkeit, der Mobilität, der Alltagskompetenz und dem Auftreten pflegespezifischer Komplikationen (z. B. Sturz, Nahrungsverweigerung). Der Barthel-Index, zentraler Messwert für die Alltagsfähigkeit, stieg während des Behandlungszeitraums von 45 auf 54 Punkte.
Die Gehgeschwindigkeit und die Fähigkeit selbstständigen Gehens hatten sich „signifikant gebessert“, ermittelte die Studie. Die Mobilität war von 48 auf 53 Punkte gestiegen. Die Handkraft, wichtig für sämtliche Alltagsverrichtungen wie Ankleiden, Essen, Hygiene und den Gebrauch von Gehhilfen, wurde ebenfalls stärker.
Auch in puncto Sturzgefährdung schnitten die größtenteils hochbetagten Patienten gut ab. Bei den Freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) kam es im gesamten Beobachtungszeitraum zu keiner körpernahen Fixierung.
Eine Besonderheit vorliegender Studie ist die Einbeziehung von Angehörigen in die Bewertung. In deren Urteil bekommen zentrale Aspekte wie der Umgang des Personals mit den Patienten, die Versorgung mit Essen und Trinken und die architektonische Gestaltung der Station durchweg gute Noten. Daran lasse sich ablesen, dass die Versorgung den spezifischen Bedürfnissen von Demenzkranken gerecht werde, folgert die Studie. Dies ergebe sich auch aus dem Vergleich, den die Angehörigen zwischen der Station Silvia und anderen Krankenhäusern gezogen hätten.
Der Aufwand, den die Station Silvia betreibt, lohnt sich, fasst die Studie zusammen. Demnach macht sich die bessere körperliche und mentale Verfassung der Patienten nicht nur im Krankenhaus bemerkbar, sondern wirkt auch im heimischen Alltag weiter. Der Erfolg verdankt sich dem ausgeklügelten versorgungsspezifischen Konzept mit umfassender Schulung des Personals, interdisziplinärer Teamarbeit von Ärzten, Pflegern und Therapeuten sowie der konsequent patientenzentrierten Ausrichtung aller Dienstleistungen und Räumlichkeiten.
Allerdings ist der beachtliche Mehraufwand von den Krankenhäusern alleine nicht zu stemmen, sondern nimmt die Kostenträger in die Pflicht, so die Empfehlung. Am Beispiel des Hildegardis-Krankenhauses der Malteser hebt Studienleiter Professor Michael Isfort eine Besonderheit hervor: „Bemerkenswert ist, dass Innovationen im Bereich der Versorgung oft von kleineren Krankenhäusern ausgehen, sie sind die eigentlichen Treiber der Entwicklung jenseits der High-Tech Medizin." Die umfassende Evaluation mache die Ergebnisse für alle Kliniken interessant – das Konzept setze Maßstäbe.
Versorgung von Patienten mit Demenz im Malteser Krankenhaus – Evaluation einer Special Care Unit (Station Silvia), Abschlussbericht, erstellt von Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP), Köln, 72 Seiten
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