Das Simon Wiesenthal Center (SWC) führt die Bank für Sozialwirtschaft in ihrer Auflistung der zehn schlimmsten antisemitischen Ereignisse des Jahres 2018 („2018 Top Ten Worst Global Anti-Semitic Incidents“) auf Platz 7. Darin nennt es Personen, Organisationen und Ereignisse, die nach Auffassung des SWC durch antisemitische bzw. antiisraelische Äußerungen oder Aktionen aufgefallen sind. Unter anderem sind das Attentat in der Pittsburgher Synagoge vom 27. Oktober 2018, bei dem 11 Juden starben, Tätigkeiten des Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) und der Rückzug der Unterkunftvermittlung Airbnb aus dem Westjordanland aufgeführt. Eine Begründung für die Zusammenstellung der Auflistung wird nicht gegeben.
Das Simon Wiesenthal Center wirft der Bank für Sozialwirtschaft vor, eine Geschäftsbeziehung mit einer israelkritischen jüdischen Organisation zu unterhalten. Konkret bezieht es sich auf eine Kontoverbindung der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“ mit Sitz in Berlin bei der Bank für Sozialwirtschaft. Die Organisation, die in Deutschland rechtlich als eingetragener Verein anerkannt ist und von Menschen jüdischer Herkunft getragen wird, wird beschuldigt, die antiisraelische BDS-Kampagne („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“) zu unterstützen.
Seit rund zwei Jahren sehen wir uns wegen der Kontoführung für die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“ mit unzutreffenden Antisemitismusvorwürfen konfrontiert. Sie wurden erstmals im Herbst 2016 von Benjamin Weinthal von der israelischen Tageszeitung „Jerusalem Post“ erhoben. Unter anderen wurde die Bank für Sozialwirtschaft im Frühjahr 2018 von Herrn Weinthal pauschal als „BDS-Bank“ bezeichnet. Ein Vorwurf, der aus unserer Sicht inakzeptabel ist. Die Kritik richtete sich auch gegen andere anerkannte gemeinnützige Organisationen wie „Brot für die Welt“, „Connection e.V.“ und das „Forum Ziviler Friedensdienst “. Bei „Brot für die Welt“ handelt es sich um ein renommiertes Entwicklungshilfswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland, das sich für die Bekämpfung des Hungers in vielen Teilen der Welt einsetzt. Das „Forum Ziviler Friedensdienst“ unterstützt Menschen in gewaltsamen Konflikten auf dem Weg zum Frieden und setzt sich aktiv für eine zivile Friedenspolitik ein. Auch die Organisation „Connection“, die sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung engagiert, unterstützt die BDS-Kampagne nicht.
Die Vorwürfe gegen unser Haus weisen wir entschieden zurück. Die Bank für Sozialwirtschaft unterhält weder Geschäftsbeziehungen zur BDS-Kampagne noch unterstützt sie die Zielsetzungen dieser Bewegung. Boykottmaßnahmen, die eine Destabilisierung des Staates Israel zum Ziel haben, sind mit unseren Unternehmensgrundsätzen unvereinbar. Die BDS-Kampagne würde bei uns niemals ein Konto erhalten.
Mit der Positionierung der Jüdischen Stimme hat sich die BFS sehr kritisch auseinandergesetzt. Da wir die BDS-Kampagne entschieden ablehnen, hatten wir der Jüdischen Stimme im Herbst 2016 zunächst das Konto gekündigt. Die Kontokündigung war wiederum mit massiver Kritik verbunden, die ihrerseits in Antisemitismus-Vorwürfen gipfelte. Der Tenor lautete: Wie kann es sein, dass eine in Deutschland ansässige Bank einer jüdischen Organisation das Konto kündigt? Wir wurden von zahlreichen NGOs sehr heftig dafür kritisiert, dass wir einer gezielten Kampagne nachgegeben und dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu wenig Raum gegeben hätten.
In intensiven Gesprächen mit der „Jüdischen Stimme“, haben wir den Eindruck gewonnen, dass die „Jüdische Stimme“ zwar mit BDS sympathisiert und Positionen vertritt, die wir für falsch halten. Es wurde uns jedoch glaubhaft versichert, dass die Jüdische Stimme jede Form von Gewalt gegen den Staat Israel ablehnt. Im April 2017 haben wir uns schließlich auf Bedingungen verständigt, unter denen eine Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung möglich wurde. Nach der Wiedereröffnung des Kontos Anfang 2018 wurde die Bank erneut als antisemitisch kritisiert, weil sie ein Konto einer israelkritischen Organisation führt.
Was uns besonders wichtig ist: Die Bank für Sozialwirtschaft fühlt sich dem jüdischen Leben in Deutschland und der Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel in besonderer Weise verpflichtet. Dies ergibt sich schon aus der Tradition und der Gesellschafterstruktur der BFS. Der Spitzenverband der jüdischen Wohlfahrtspflege in Deutschland gehört zu den Gründungsgesellschaftern der 1923 gegründeten Bank für Sozialwirtschaft. Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) ist nach wie vor ein Gesellschafter der BFS. Das Existenzrecht des jüdischen Staates unterstützen wir ohne Wenn und Aber. Ebenso gilt: Die Bank für Sozialwirtschaft AG ist ein politisch neutrales Geldinstitut, das sich der Meinungsfreiheit verpflichtet fühlt. Wir akzeptieren, dass es stark divergierende Meinungen zum Nahost-Konflikt und dem Verhältnis zwischen den Palästinensern und dem Staat Israel gibt. Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sehen wir Meinungsfreiheit als ein sehr hohes Gut an, für das es einzustehen gilt.
Im Verlauf der Diskussionen um die Kontoführung für die Jüdische Stimme haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir uns in dieser Angelegenheit in einer Art Lose-Lose-Situation befinden: Sowohl die Kündigung des Kontos der Jüdischen Stimme als auch Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung haben jeweils neue Antisemitismus-Vorwürfe ausgelöst.
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Kritik an ihrer Geschäftsbeziehung mit der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“ hat sich die Bank für Sozialwirtschaft entschieden, zu der Positionierung der „Jüdischen Stimme“ im Hinblick auf die BDS-Kampagne den Rat einer unabhängigen Expertin einzuholen. Dabei haben wir uns unter anderem von Herrn Dr. Felix Klein, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, beraten lassen.
Im November 2018 wurde Frau Dr. Juliane Wetzel, seit 1991 wiss. Mitarbeiterin am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, beauftragt zu prüfen, ob die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e.V.“ als antisemitisch einzustufen ist. Als Grundlage dient u.a. die IHRA-Arbeitsdefinition Antisemitismus (International Holocaust Remembrance Alliance). Das Gutachten wird Ende März 2019 vorliegen. Frau Dr. Juliane Wetzel ist eine renommierte Antisemitismus-Forscherin. Unter anderem ist sie Koordinatorin des „Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus“ des Deutschen Bundestages, Mitglied der deutschen Delegation der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und Verfasserin einer Reihe von Gutachten zu Fragen des Antisemitismus.
Uns ist sehr bewusst, dass wir, unabhängig von unserem weiteren Verhalten, Antisemitismusvorwürfen ausgesetzt sein werden. Wir bedauern diese Situation zutiefst und hoffen, durch die wissenschaftliche Aufarbeitung des Sachverhalts einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion zu leisten.