1. Grundsatzposition
Die Bank für Sozialwirtschaft AG (BFS) ist die von den Wohlfahrtsverbänden Deutschlands getragene führende Spezialbank für Unternehmen, Einrichtungen und Organisationen aus den Bereichen Gesundheit, Soziales und Bildung. Zu ihrem Kundenkreis gehören daneben auch Nichtregierungsorganisationen, die sich in ihrem Bestreben, soziale Verhältnisse zu verbessern, zum Teil auch politisch engagieren.
Die BFS ist ein politisch neutrales Geldinstitut und sieht sich dem Prinzip der Meinungsfreiheit verpflichtet. Sie kann und will nicht kontrollieren, beurteilen und kommentieren, was einzelne Kunden bzw. Mitglieder von Organisationen, zu denen eine Geschäftsbeziehung besteht, politisch denken oder vertreten.
Das eigene Handeln der Bank für Sozialwirtschaft beruht auf einem Wertekanon, der ihre Geschäftstätigkeit seit Jahrzehnten prägt. Die Unternehmensgrundsätze der Bank, die auch die weltanschauliche Haltung der Bank betreffen, sind in einem Wertekodex zusammengefasst. Dieser Kodex konkretisiert das Selbstverständnis der Bank. Demnach bekennt sich die BFS unter anderem zu folgenden Unternehmensgrundsätzen:
- Die BFS sieht sich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und des internationales Völkerrechts verpflichtet.
- Die BFS tritt ein für den Gedanken der europäischen Integration auf der Basis von Frieden, Demokratie und Rechtstaatlichkeit.
- Die BFS orientiert sich an den ethischen Grundsätzen der jüdisch-christlichen Wertetradition und tritt für ein tolerantes Miteinander der großen Weltreligionen ein.
- Die BFS fühlt sich der Aussöhnung zwischen Deutschland und Menschen jüdischen Glaubens verpflichtet. Dazu gehört die Anerkennung des Existenzrechtes des Staates Israel.
- Die BFS lehnt politischen und religiösen Extremismus ab.
- Die BFS orientiert sich am Prinzip der Nachhaltigkeit.
- Die BFS pflegt eine Organisationskultur, die von gegenseitigem Respekt und der Wertschätzung jedes Einzelnen geprägt ist.
- Die BFS hat für ihr geschäftliches Handeln Prinzipien formuliert, die im Code of Conduct der Bank ausgeführt sind. Dazu zählen Integrität, Fairness, Ehrlichkeit, Vertragstreue, Verantwortung, Respekt, Kompetenz, Professionalität und Leistungsbereitschaft.
Als Partner der Sozialwirtschaft definiert sich die BFS stärker als andere Geldinstitute über ethische Grundsätze. Nichtsdestotrotz zählen für die Aufnahme oder Beendigung einer Geschäftsbeziehung zunächst primär rechtliche und wirtschaftliche Kriterien. Sofern das Handeln von potenziellen oder aktuellen Kunden zu einem Konflikt mit den Unternehmensgrundsätzen führen könnte, wägt die Bank den jeweiligen Fall sorgfältig ab, ob eine Geschäftsbeziehung aufgenommen bzw. fortgesetzt werden kann.
2. Kontoverbindung zur „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.“
Eine solche Abwägung hat die Bank für Sozialwirtschaft im Fall der Kampagne „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ (BDS-Kampagne) getroffen. Die BDS-Kampagne könnte nicht Kundin der Bank für Sozialwirtschaft werden. Die Positionen von BDS gehen in Zielsetzung, Inhalt und Stil über den Rahmen des üblichen demokratischen Diskurses hinaus. Boykottmaßnahmen, die eine Destabilisierung des Staates Israel zum Ziel haben, sind mit den oben genannten Unternehmensgrundsätzen der Bank unvereinbar. Daher erwartet die Bank für Sozialwirtschaft auch von ihren Kunden eine klare Abgrenzung von der BDS-Kampagne.
Hintergrund ist, dass der Spitzenverband der jüdischen Wohlfahrtspflege in Deutschland zu den Gründungsgesellschaftern der 1923 gegründeten Bank Sozialwirtschaft gehört. Daher fühlt sich die BFS seit dem Ende der Nazi-Gewaltherrschaft der Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel besonders verpflichtet. Selbstverständlich akzeptiert die BFS, dass es stark divergierende Meinungen zum Nahost-Konflikt und dem Verhältnis zwischen den Palästinensern und dem Staat Israel gibt.
Wegen ihrer Unterstützung der BDS-Kampagne hatte die Bank der „Jüdischen Stimme“ im Herbst 2016 zunächst das Konto gekündigt. Nach intensiven Gesprächen und einer öffentlichen schriftlichen Klarstellung, dass die „Jüdische Stimme“ die BDS-Kampagne nur insoweit unterstützt, als sie gewaltfrei ist und das Existenzrecht Israels nicht in Frage stellt, konnte die Geschäftsbeziehung wiederaufgenommen werden.
Seit der Wiedereröffnung des Kontos im Januar 2018 hat sich die Kritik an der BDS-Kampagne stark zugespitzt, bis hin zum Bundestagsbeschluss zur BDS-Kampagne vom 17. Mai 2019. Im Zuge dieser Entwicklung stand die Bank für Sozialwirtschaft wegen der Geschäftsbeziehung zur „Jüdischen Stimme“ zunehmend in der nationalen und internationalen Kritik. Immer stärker wurde sie zu einer Plattform für einen innerjüdischen Konflikt. Die BFS sieht sich jedoch nicht als geeignete Plattform für die Austragung weltanschaulicher oder religiöser Konflikte.
Mit dem Ziel der Versachlichung der Debatte hat die Bank im Herbst 2018 beim Institut für Antisemitismusforschung der TU Berlin ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben. Ziel der Beauftragung war es, diePositionierung der „Jüdischen Stimme“ im Hinblick auf Antisemitismus objektiv zu beurteilen. In diesem Zusammenhang war insbesondere die Beziehung zur BDS-Kampagne zu bewerten. Die Beauftragung dieses Gutachtens stieß auf massive Kritik sowohl von Seiten der „Jüdischen Stimme“ als auch von Seiten ihrer Kritiker. Aufgrund der massiven Kritik an der Beauftragung des Gutachtens, an dessen möglichen Inhalten und an der Gutachterin hat diese in Abstimmung mit ihrer Institutsleitung entschieden, den Gutachtenauftrag zurückzugeben. Als Ergebnis haben sowohl die Bank als auch die „Jüdische Stimme“ einen erheblichen Vertrauensverlust in ihrer Geschäftsbeziehung konstatiert.
Da die Bank sich dem breiten Meinungs- und vielfach auch internationalen Tätigkeitsspektrum der Wohlfahrtsverbände und von deren Mitgliedsorganisationen besonders verpflichtet fühlt, hat sie erneut das Gespräch mit der „Jüdischen Stimme“ gesucht, um die Debatte zu versachlichen, das Vertrauensverhältnis wiederherzustellen und festzustellen, ob es eine klare Abgrenzung der „Jüdischen Stimme“ von der BDS-Kampagne gibt.
Im Ergebnis musste die Bank für Sozialwirtschaft feststellen, dass seitens der „Jüdischen Stimme“ eine im Sinne der Bank ausreichend klare Abgrenzung zur BDS-Kampagne nicht möglich ist. Auch das für eine Weiterführung der Geschäftsbeziehung notwendige Vertrauensverhältnis konnte nicht vollständig wieder hergestellt werden.
Die Bank ist durch die Geschäftsbeziehung zur „Jüdischen Stimme“ wegen deren Unterstützung der BDS-Kampagne dauerhaft zum Austragungsort einer politischen Kampagne geworden, die sie nicht hat befrieden können. Sie befürchtet, dass sie durch die sich intensivierende Debatte um die BDS-Kampagne weiterhin instrumentalisiert wird und damit die Reputation der Bank zunehmend geschädigt wird. Ohne sich dabei politisch positionieren zu wollen, hat der Vorstand in Verantwortung für die Reputation der Bank entschieden, dass keine Basis mehr für eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung besteht und die Geschäftsbeziehung zu beenden. Der Vorstand bedauert, dass alle Bemühungen, zu einem für beide Seiten tragfähigen Ergebnis zu kommen, nicht erfolgreich waren und dass diese Entscheidung notwendig wurde.