
Im Laufe des Jubiläumsjahres 2023 beleuchten wir einige Besonderheiten aus der 100-jährigen Geschichte der Bank für Sozialwirtschaft. In dieser Ausgabe steht das sozialwirtschaftliche Research im Fokus.
Seit den 1990er-Jahren sind die Geschäftsführung und die Kundenbetreuer*innen der Bank für Sozialwirtschaft in einem kontinuierlichen Austausch mit ihren Gremien und Kunden. Vor welchen Herausforderungen steht die Freie Wohlfahrtspflege? Was kann die Fachbank anbieten, um zu einer Lösung beizutragen? Diese Fragen sind in einer Zeit, in der die Nutzenstiftung für die Kunden oberstes Gebot der Sozialbank ist, immer präsent. Neue Angebote realisiert die Bank häufig gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden. Über Veranstaltungen und Veröffentlichungen ist die Bank feine zentrale Plattform für Debatten zu aktuellen Entwicklungen.
Ende der 1990er-Jahre beginnt die Sozialbank, die Entwicklun- gen in der Sozialwirtschaft systematisch zu beobachten. Die Entwicklung zu „mehr Markt“, die unter anderem mit der Einführung der Pflegeversicherung und durch die allmähliche Ablösung des Subsidiaritätsprinzips durch Ausschreibungsverfahren immer stärker zum Tragen kommt, spielt dafür eine zentrale Rolle. Hinzu kommt das starke Wachstum der Sozialbank durch die Eröffnung einer ganzen Reihe von Geschäftsstellen. Es war nicht mehr selbstverständlich, dass jede*r Kundenbetreuer*in mit den immer komplexer werdenden ordnungs- und leistungsrechtlichen Rahmenbedingungen in den Geschäftsfeldern der Bank vertraut ist.
Den sozialen Sektor immer im Blick
Von den Ergebnissen der systematischen Marktbeobachtung profitieren drei Zielgruppen: die Kundinnen und Kunden, das Management der Bank, für das vor allem Umbrüche in den Kundenbranchen unter dem Aspekt beleuchtet werden, was sie für die Weiterentwicklung der Angebote der Bank bedeuten, und die Mitarbeitenden der Bank, für die im Lauf der Zeit ein internes Schulungs- und Informationsprogramm aufgebaut wird. Dieses Programm klärt sie über die grundlegenden Strukturen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft und ihrer Einzelbranchen sowie zu aktuellen Veränderungen der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen auf.
Impulse für die Kundenbranchen
In den 2010er-Jahren engagiert sich die Bank verstärkt in der Gesundheitswirtschaft. Das Research legt gemeinsam mit dem Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) eine zertifizierte berufsbegleitende Fortbildung für ihre Mitarbeitenden auf und bildet so die benötigten Finanzierungsexperten hausintern aus. „Die fachkundige Arbeit vom BFS-Research war und ist im wahrsten Sinne des Wortes richtungsweisend für alle Vordenker und Gestalter in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft“, betont Holger Göpel, Branchenexperte und früherer Chefredakteur von CARE INVEST und sgp-REPORT. „Ich erinnere mich insbesondere gern an das gemeinsame Buchprojekt „Wohnen und die Pflege von Senioren“, in dem beispielhaft erfolgreich umgesetzte neue Formen von Wohnen und (Langzeit-)Pflege vorgestellt werden. Diese Darstellung neuer Leistungsangebote, Versorgungsarrangements und Geschäftsmodelle gewinnt auch heute noch stetig an Bedeutung – für Betreiber, Investoren, Kommunen und Wohnungswirtschaft.“
Für die Kund*innen und Netzwerkpartner transportiert das Research das Branchen-Know-how in vielfältiger Form. „Durch systematisches Monitoring der Sozial- und Gesundheitswirtschaft stärken wir die Branchenkompetenz unser Kundenberaterinnen und Kundenberater“, erklärt Markus Sobottke, der das Research seit 2012 leitet. Treibende Kraft war Dr. Berthold Becher, der Ende der 1990er-Jahre das BFS Europabüro in Brüssel und das Research der Bank aufgebaut und bis zu seinem Ausscheiden in den Ruhestand Ende 2011 geleitet hat. So rief er etwa gemeinsam mit Rainer Brückers, damals Geschäftsführer des AWO-Bundesverbandes, und Prof. Dr. Bernd Maelicke, damals Direktor des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) und Herausgeber der Publikationen des Nomos-Verlages, 1997 mit dem „Kongress der Sozialwirtschaft“ den bundesweit einzigen branchenübergreifenden Kongress für Führungskräfte aus der Sozialwirtschaft ins Leben. Der Kongress findet seitdem alle zwei Jahre statt.
2012 startete das Research mit dem „BFS-Marktreport Pflege“ eine Reihe von Branchenreports. Aktuell erscheint die Publika- tionsreihe „Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit in der Sozialwirtschaft“. Immer geht es darum, Herausforderungen für die Zukunft der Sozial- und Gesundheitswirtschaft aufzuzeigen und Impulse zu geben, wie diese gelöst werden können. Das geschieht regelmäßig auch durch Vorträge auf Fachkongressen.
Branchenumfragen und Trendbarometer
Die Corona-Pandemie ist der Auslöser für ein neues Feld, auf dem das Research seit 2020 tätig ist: Gemeinsam mit den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, dem Deutschen Verein, dem Bundesverband privater Anbieter (bpa) und der Universität zu Köln wurden mehrere Umfragen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf die Sozial- und Gesundheitswirtschaft durchgeführt. Die Ergebnisse unterstützten die Verbände bei ihren Verhandlungen um Schutzschirme und Rettungspakete. Ebenfalls viel Aufmerksamkeit erfahren die beiden BFS-Trendbarometer von Oktober 2022 und März 2023 zu den Folgen der durch den Krieg in der Ukraine massiv gestiegenen Kosten. Auch dessen Ergebnisse nutzt die Sozial- und Gesundheitswirtschaft bei ihren Verhandlungen um Ausgleichszahlungen.