
Globale Ereignisse wie die Corona-Pandemie, die Folgen des Klimawandels und explodierende Energiepreise unterstreichen die Notwendigkeit eines Umdenkens in Richtung Nachhaltigkeit. Dies spiegelt sich in einem beschleunigten Wandel gesellschaftlicher Wertvorstellungen, rechtlicher Rahmenbedingungen und des unternehmerischen Denkens und Handelns wider. Damit die Dynamik der Entwicklungen nicht zu einer Überforderung führt, bedarf es konkreter Orientierungshilfen für soziale Organisationen.
Auch für soziale Organisationen ist Nachhaltigkeit ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Wertschöpfung. Sie ist von entscheidender Bedeutung für die Attraktivität als Arbeitgeber, die Stärkung der Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen, Spendern und weiteren Interessengruppen sowie das Senken der Energiekosten. Darüber hinaus kann sie zu einer Verbesserung der Kundenbindung und Umsatzentwicklung beitragen. Perspektivisch wird das Erfüllen steigender Anforderungen an die Nachhaltigkeit der betrieblichen Aktivitäten relevant für den Zugang zum Kredit- und Kapitalmarkt und staatlicher Förderung sein. Zudem sind Nachhaltigkeitsaspekte von großer Bedeutung für optimierte Investitions- und Anlageentscheidungen. Sie unterstützen die Entkoppelung der Vermögenswerte von steigenden Energiekosten, Klima- und Reputationsrisiken und tragen so zu einer langfristigen Verbesserung von Investitionsrenditen bei.
EU-Taxonomie als Orientierung
Für das Erreichen der Klimaziele sind erhebliche Investitionen erforderlich. Das benötigte private Kapital soll mit dem im Jahr 2018 beschlossenen EU-Aktionsplan „Sustainable Finance“ mobilisiert werden. Zielsetzung ist das Umleiten von Investitionen in nachhaltige Projekte und Aktivitäten. Es ist zu erwarten, dass sich die Finanzierungsbedingungen für nachhaltige Investments künftig tendenziell günstiger darstellen. Maßgebliche Grundlage für die Umsetzung des EU-Aktionsplans und die damit verbundenen Berichtspflichten ist ein Klassifizierungssystem für Nachhaltigkeitsaktivitäten – die sogenannte Taxonomie. Sie legt fest, welche unternehmerischen Aktivitäten in der EU als nachhaltig gelten. Die Taxonomie befindet sich noch in der Entwicklung und ihre Einführung erfolgt stufenweise. Für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft leiten sich gegenwärtig insbesondere Anforderungen für Immobilien, die Energieversorgung und die Mobilität ab. Die derzeit vorliegenden Umsetzungsvorschläge für die soziale Taxonomie nehmen auch zentrale Leistungen sozialer Organisationen in den Blick: Gesundheitsleistungen, Bildung, Kinderbetreuung, Pflege und Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Hinzu kommt die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, gegebenenfalls flankiert von Unterstützungsleistungen im Sinne eines „Quartiersmanagements“ und mit Fokus auf benachteiligten Personengruppen. Die sozialen Organisationen sind gefordert, sich auf die bereits heute diskutierten Bewertungskriterien vorzubereiten.
Nachhaltigkeitsmanagement professionalisieren
Mit dem EU-Aktionsplan sind umfassende Berichts- und Offenlegungspflichten für Finanzmarktakteure und Unternehmen verbunden. Infolgedessen ist ein zusätzlicher Informationsbedarf zwischen Finanzinstituten und ihren Kunden zu erwarten, insbesondere hinsichtlich der Energieeffizienz von Gebäuden. Darüber hinaus ist im Rahmen des EU-Aktionsplans vorgesehen, dass ein breiter Kreis an Unternehmen zur Erstellung eines sogenannten „nichtfinanziellen Berichts“ – auch ESGBericht genannt – verpflichtet wird. Ein solcher Bericht fasst die Aktivitäten eines Unternehmens im zurückliegenden Geschäftsjahr zusammen, die einen positiven Beitrag zu Umwelt und Gesellschaft im Sinne der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit geleistet haben. Seit 2017 besteht diese Berichtspflicht für große kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherungen in der EU. Nach derzeitigem Planungsstand wird bereits für das Geschäftsjahr 2023 die nichtfinanzielle Berichterstattung auf alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden, mindestens 40 Mio. Euro Umsatz bzw. ab 20 Mio. Bilanzsumme sowie auf alle an der Börse gelisteten Unternehmen (außer Kleinstbetriebe) ausgeweitet. Allein aufgrund der Mitarbeitendenzahl und der Bilanzsumme wären beispielsweise im Krankenhaussektor rund zwei Drittel der Unternehmen betroffen. Perspektivisch könnten auch kleine und mittlere Unternehmen berichtspflichtig werden. Auch die inhaltlichen Anforderungen an die nichtfinanzielle Berichterstattung werden nach den Plänen der EU erheblich steigen. Insofern sollten soziale Organisationen zeitnah ihre Berichterstattung weiterentwickeln bzw. erstmals aufgreifen. Voraussetzung hierfür ist die Professionalisierung des betrieblichen Nachhaltigkeits- und Datenmanagements mit eigenen Kapazitäten oder mit Unterstützung durch externe Expert* innen.
Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit
Die Fachserie „Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit in der Sozialwirtschaft“ von Bank für Sozialwirtschaft und BFS Service GmbH nimmt die Anforderungen an eine nachhaltige Sozialund Gesundheitswirtschaft in den Blick. Der erste Band erscheint im Juni 2022 und liefert eine Bestandsaufnahme zum Einstieg ins Thema. Die nachfolgenden Teile widmen sich den Aspekten „Soziale Nachhaltigkeit“, „Ökologische Nachhaltigkeit“ und „Nachhaltige Vermögensanlage“.
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